Donnerstag, 5. November 2009

Maxim Biller - Der (nicht) gebrauchte Jude

Prima facie ist Maxim Billers Selbstporträt "der gebrauchte Jude" eine Gesellschaftsstudie, über das Jude-Sein in Deutschland. Auf den zweiten Blick allerdings entpuppt sich dieses Dokument als Quellentext einer besonderen Art von zwanghafter Selbstreflexivität. Zugegebenermaßen ich habe dieses Buch nicht zu Ende gelesen. Mal abgesehen davon, dass ich es für anmaßend halte zu glauben man müsse mit 49 Jahren eine Autobiografie vorlegen, zeichnet sich dieses Dokument streckenweise durch einen ekelhaften Egozentrismus aus.
Nach der folgenden Passage zwang ich mich noch 20-30 Seiten zu lesen und merkte: hier hat sich ein krampfhaftes Ich ein eigenes Brett vor den Kopf genagelt und wendet höchstenfalls zwei grobe Schablonen auf eine ganze Gesellschaft (und über drei Generationen hin) an.



"Und Juden, die noch da waren, wenige unsichtbare Geschäftsleute, Ärzte und deren Kinder, die jedes Jahr am 9. November kurz im Fernseher erschienen, als kleine, dunkle Menschengruppe vor einer riesigen Menora oder einer dramatischen hoch aufgehängten Schiefertafel mit kaum lesbaren hebräischen Buchstaben. Es regnete und war windig, und sie hielten sich an ihren Regenschirmen fest, und dann wurden sie weggeweht und tauchten erst am 9. November nächsten Jahres auf. Jemand wie ich war in Deutschland nicht vorgesehen. Wenn man mich fragte, was ich bin, sagte ich:"Ich bin Jude." Ich sagte es, weil es so war, und es wunderte mich, dass es die anderen verwirrte. Das merkte ich daran, dass sie sofort das Thema wechselten, gerührt lächelten oder leise erwiderten; "Ach so". Es störte sie nicht, manche interessierte es sogar. Und es war nie ein Hindernis für eine Freundschaft zwischen ihnen und mir, dem Besucher aus einer Zeit, die im Januar 1933 auf Wunsch von 33 Prozent der Deutschen zu Ende gegangen war." (S.12)

Die meisten Menschen, egal welchen Ursprungs, die seinen Intellekt haben, würden auf die Frage, was sie seien (zumindest vermutlich) antworten: Weltbürger, Mensch, Denkender. Hier verfängt sich jemand im Jude-Sein ohne dass er es müsste. Wer glaubt in Deutschland nicht vorgesehen zu sein, hat seinen Ort glaube ich noch nicht gefunden. Dass das auch Deutschen so geht, braucht hier eigentlich nicht angemerkt zu werden. Dass das auch kein exklusiv jüdisches Phänomen ist, haben mindestens Broder und Reich-Ranicki gezeigt.
Der ironisch-unironische Stil (dieser Ausdruck kommt von ihm) dieser Passage, wirkt künstlich und plagiativ.

Biller scheint sogar einige Kurzgeschichte geschrieben zu haben, die in einer ironischen Pointe enden (z.B. diese hier). Ich fürchte, dass diese Ironie auch in seinem Selbstporträt so beißend ist, dass sie die Obergrenze des Witzes bereits überschreitet. Sie ist kaum noch Ironie, ihre kritisches Anliegen liegt so blank, dass sie ihr humoristisches Element verliert. Wer über sich so schreibt, der steht metaphorisch gesprochen mit dem Kopf zur Wand. Es ist ein Anzeichen, dass es ihm nicht gelingt Kraft intellektueller Leistung sich selbst zu therapieren. Biller nutzt allerdings scheinbar sein geistiges Organon um diesen Umstand zumindest auszudrücken. Was dabei entsteht ist leider keine Ironie mehr, sondern entblößt diese krasse Unfähigkeit.
Warum nicht eine offene Kritik an der Gesellschaft schreiben? Mangelt es da an den nötig hard facts?

Die Ironisierung der Reibungen des eigenen Ichs gegen eine Gesellschaft, in der eine solche Situation de jure verboten und faktisch fast unmöglich ist, ist Symptom und Prädikat einer Sache, die man getrost Egomanie nennen darf.

In Billers Fall ist zudem offensichtlich: Wer sucht der findet. Biller suchte Diskriminierung, er fand sie. In einem solchen Fall ist psychoanalytisch fast klar, wer nicht findet, der imaginiert. Vermutlicht liegt es daran, dass es nichts zu findet gibt, dort wo Biller sucht. Ich meine damit, dass ich grundsätzlich ausschließe, dass man in dem Milieu, von dem er redet, offensichtlichen Rassismus findet. Die häufigsten Rassismen auf die man in Deutschland trifft sind gekennzeichnet durch hohle Phraseologie, abgedroschenen Symbolismus und veraltete Kampfbegrifflichkeit (gleiches gilt im übrigen für die dogmatische Linke). Diesen Rassismus braucht man nicht mehr als seriöse politische Alternative aufzufassen. Man darf ihn getrost als substanzlosen Schwachsinn bezeichnen. Wer dem nicht glaubt, hat nur Angst die rechte Intelligenzjia könnte durch versteckte Subtilität wieder zu "alter" Strahlkraft zurückfinden. Ein kurzer Blick hinter die Kulisse einer solchen "Bewegung" entblöst die Protagonisten und zeigt ein niederschmetterndes Bild von Figuren, die keine ernstzunehmenden Gegner im Kampf um die Demokratie sind. Es zeigt sich dass man dort Ressentiments adaptiert hat, deren Feindbilder es garnicht mehr gibt (Seit den enormen Massenbewegungen nach dem 2. Weltkrieg, dürften 90% der Deutschen einen Migrationshintergrund haben). Sich mit diesem Thema länger zu befassen heißt in erster Linie Zeit zu vergeuden und den Blick für wesentlichere postideologische Problemfelder (MultiMedien, Demografie, säkularisierte Wirtschaft, Lobbyismus, Parallelgesellschaften) zu verlieren. Das dürfte Biller passiert sein. Vermutlich weil er kategorisch ausschließt, dass seine Probleme im Kern Ursprung einer zeitaufwendigen Persönlichkeitsstörung sind, der er sich hingebungsvoll widmet.
"Ich bin Jude und nichts als Jude, weil ich wie alle Juden nur an mich selbst glaube..." (S.12), schreibt Biller. Ich bin mir sicher, dass nicht alle Juden nur an sich selbst glauben oder versuchen sich so krass zu distinguieren. Biller ist anders, besonders, weil er besonders sein will, und das ist unabhängig von dem was er ist oder glaubt zu sein: einfach nur ekelhaft nervig.
Wer ein so labiles Feingespür hat wie Maxim Biller, oder anders gesagt, wessen Kritikfähigkeit auf so dünnem Eis angesiedelt ist, der kann nur ins kalte Wasser fallen. Hier täte einem Biller fast Leid, wäre er nicht so unglaublich arrogant.
Anbei leistet der Text zum historischen Verständnis der dt. Nachkriegsmentalität überhaupt keinen Aufschluss.





(Wer genau darauf achtet, nimmt wahr, dass Biller im Video in einen sehr künstlichen nasalen affektierten Tonfall umschwenkt. Diese Geste weist ihn spätestens jetzt als einen Schwergewichtsschattenboxer aus.
Unter dem Video steht bei Youtube.de folgender Kommentar:
Autor: tjb1982
"Worauf will Biller eigentlich hinaus? Wenn keiner seine Texte liest, soll er spannender schreiben. Statt dessen soll die deutsche Kultur schuld sein, die seine Bücher nicht versteht. Ist ein bißchen armselig.")


(Dieser Kommentar ist zu einem großen Teil die Frucht der intensiven Gespräche mit Simon S. und Roman S.. Dank euch beiden =))

Dienstag, 3. November 2009

Spiegel Nr.45 vom gestrigen Montag 02.11.09

Ich würde gerne zwei Artikel empfehlen, die in der neuesten Spiegelausgabe abgedruckt sind. Zum einen von Richard David Precht über die Fehde zwischen Sloterdijk und Honneth. Precht zieht genau das gleiche Fazit, wie in meinem Post über die Geschichte vom Anfang des Monats. Allerdings denke ich, er irrt, wenn er meint die Philosophie solle massenkompatibler werden. Mit Sloterdijk, als Bestsellerautor, ist sie mainstream genug geworden, um in diesem Ausmaß missverstanden zu werden.
Der zweite Artikel folgt direkt im Anschluss. Henryk M. Broders Kandidatur zur Präsidentschaft des Zentralrats der Juden. Nach der überflüssigen Autobiografie von Maxim Biller ("Der gebrauchte Jude") schreibt hier mal endlich jemand mit Charme und Selbstironie über seine Herkunft und über die dt. Geschichte. Henryk Broder hat immer wieder durch öffentliche Briefe vom und übers Judentum in Deutschland mehr zur dt. Selbstfindung beigetragen als Friedman und Co. Und damit meine ich nicht zum Vergessen, sondern zum distanzierten Zurückschauen und objektiven Resümieren, ohne Scham, ohne geheuchelte Sentimentalität und ohne falsches Taktgefühl.
Diese "Generation", die nun 60 Jahre nach 1945 darüber nachdenken und wissenschaftlen darf, sollte ihm danken diesen Weg eröffnet zu haben. Über Maxim Biller und Mainstreamphilosophie wird demnächst noch zu sprechen sein.

Freitag, 30. Oktober 2009

District 9 - Sommerhit! Zurecht?

Destrict 9 war der Überraschungserfolg des Kinosommers 2009. Mit Produktionskosten von ca. 30 Mio. US-Dollar spielte der Film geschätzt $115.238.926 alleine in den Vereinigten Staaten ein (Quelle: IMDb). Das ist ein enormer Erfolg, die Gewinnspanne erinnert an die Klassiker dieser Art: "Blair Witch Projekt","Cloverfielt"oder" "Rec". Destrict 9 ist allerdings nicht durchgehend mit der Handcamera gefilmt. Nur zeitweise entsteht so eine Art szenische Dokumentation, wenn der Protagonist Wikus durch den Destrikt der Aliens geht, wie durch ein Gefangenenlager oder das Ordnungsamt in einem Vorort Mexikos.
Bei einem Film der so unerwartet durchstartet muss mehr daran sein als Peter Jacksons Name, der den Film mitproduzierte. Oder aber weniger... Das Internet - Feuilleton schickt eine Kritik nach der anderen heraus. Es werden Meinungen publiziert, die ambivalenter nicht sein könnten. Von "verdienter Überraschungserfolg" bis hin zu "unauthentischer Möchtergern-Alleskönner"reicht hier das Spektrum der Kritiken. Schlussendlich dürfte diese Publizistik ,ob positiv oder negativ, dafür sorgen, dass Destrict 9 nicht Neill Blomkamps letzer Film war.
Der Film erzählt einen spannenden Plot, der so gesellschaftskritisch mit derart realistischen Parallelen, noch nicht erzählt wurde. Im Jahr 1983 hält ein Raumschiff über der sudafrikanischen Stadt Johannesburg an. Die Aliens größtenteils verwirrt und unterernährt, werden auf die Erde umgesiedelt in einen Destrikt, in dem sich schnell slum-ähnliche Bedinungen entwickeln. Die Anzahl der Aliens ist für die zuständige Organisation der MNU nicht mehr überschaubar. Bei einer großen statistischen Erfassungsaktion versucht der zuständige Chef Wikus, gerade kürzlich befördert und ambitioniert bei der Arbeit, die Aliens für eine Umsiedlung vorzubereiten. Schon allein in dieser Szene zeigt sich, dass dieser Film etwas anderes sein will als ein plumper Actionstreifen. Die Aliens sind wahnsinnig gut animiert. Die Darstellung ihres Wohnbereichs, ihrer Lebensverhältnisse, als Rasse die auf der Erde nichts verloren hat, die man ernähren muss, die sich pausenlos vermehrt und niemandem etwas nützt, das ist keine Allegorie, wie der Rezensent von ManbeisstFilm meint. Präziser gesagt, ist es eine Parabel. Ein Lehrstück auf das Anderssein. Auch wenn der Film bis zum Schluss actionreich bleibt, ist seine Kernaussage stets virulent. Er plädiert für eine universalistische (kosmische) Ethik. Bei der wichtigsten Kehre des Films, deren Pointe ich hier nicht vorwegnehmen will, analysiert Blomkamp was es bedeutet anders zu sein. Auch wenn gezeigt wird, wie sich der Hass derjenigen artikuliert, die eigentlich am Rande der Gesellschaft stehen und die plötzlich ein klar umrissenes Feindbild haben, wird der Film zu einem gnadenlosen Politikum. Und er ist darin auch authentisch.
Die benutzten Symbole sind allegorisch. Sie dienen dazu die realen Situationen und die filmischen zu parallelisieren. Diese Allegorien sind vielleicht weniger versteckt als es in einem Artkino-Film der Fall gewesen wäre, aber auch das macht den Film lebendig und gleichzeitig unterhaltsam. Die Kernaussage ist so offensichtlich, gleichzeitg überhaupt nicht banal, dass sie an die Nieren geht.
Ich empfehle den Film alleine weil er sich bewusst ist, darüber was er will und was er kann, und das konsequent darstellt ohne sich zu verlieren. Es ist ein Ausnahmefilm, eine Geschichte die so schonungslos noch nicht erzählt wurde und die auch deshalb authentisch bleibt, weil sie nicht versucht die Sachverhalte bis in kleinste pseudowissenschaftlich zu sezieren.
Das wird jetzt in die öffentlich Publizistik keinen Konsen bringen, aber den will man auch garnicht, sonst gelangt man nur zu den Sterilisierungsbädern öffentlicher Meinungen (Sloterdjik).













Dienstag, 27. Oktober 2009

Kennt ihr das ???




Sich selbst cool genug zu sein....!?



Hoffentlich nicht !

Gefunden auf: http://facehunter.blogspot.com/

Sonntag, 11. Oktober 2009

Robert Frost - Fire and Ice

Da ich selbst im Moment verhindert bin und nicht zum schreiben komme, damit es hier aber trotzdem etwas Neues zu lesen gibt; ein Gedicht von Robert Frost aus einer Sammlung von Lars Vollert, die 2002 bei Langewiesche-Brandt erschienen ist.
Die deutsche Übersetzung kann das Reimschema nicht originalgetreu beibehalten ohne den Sinn zun verfälschen, deshalb hier die schönere englische Variante.

Some say the world will end in fire,
Some say in ice.
From what I've tasted of desire
I hold with those who favor fire.
But if it had perish twice,
I think i know enough of hate
To know that for destruction ice
Is also great
And would suffice.

Robert Frost, Lars Vollert(Hrsg.); Promises to keep, selected Poems, Ebenhausen/München 2002