Samstag, 13. Februar 2010

Der Tod und die Jungfer

Niklaus Manuel Detusch

Niklaus Manuel Deutsch kombiniert auf diesem Bild von 1517 zwei kontrastreiche Figuren. Das jungfräuliche Mädchen wendet sich zunächst zörgerlich, dann im Bewusstsein der Unmöglichkeit des Entrinnens, dem Tod zu und gibt sich ihm hin. Er greift ihr in einer obszönen Geste unter den Rock und versucht sie zu küssen. Gerade durch den Kontrast unschuldiger Fruchtbarkeit und verwesender Vergänglichkeit wird das Bild so reizvoll. Es ist ein damals nicht selten aufgetretenes Motiv.

Tod, kannst Du Dich auch verlieben?
Warum holst Du denn mein Mädchen?
Tod, was willst Du mit dem Mädchen?
Mit den Zähnen ohne Lippen
Kannst du es ja doch nicht küssen.
(Ludwig Gleim)


Wer sich für diese Thematik begeistern kann:

Link: La mort dans art
Literatur: Ariès, Philippe; Bilder zur Geschichte des Todes, München 1984
Rosenfeld, Der mittelalterliche Totentanz, Köln-Graz 1974

Donnerstag, 11. Februar 2010

Gil Scott-Heron - Me and the devil

Der sechzigjährige Gil Scott-Heron, der als Urvater des HipHop gilt, tritt mit seinem neuen Album "I'm new here" den Weg nach vorne an. Scott-Heron war nach seiner bedeutensten Phase als virtuoser Jazzfunker in den Siebzigern, durch Drogenexzesse und Konflikte mit der Justiz, bis zuletzt nur noch zu zweifelhaftem Ruhm gelangt.
Das neue Material ist an Dichte und Intensität kaum zu steigern. Es scheint als habe er den Sumpf, in dem er sich die letzten Jahre befand, und die zwielichtigen Fratzen der Gegenden, in denen er sich aufhielt, in seine Musik mitgenommen und verarbeitet. Enstanden ist ein wehklagendes Soulalbum mit viel Atmosphäre, leidiger Stimme und düsteren Beats. Die Single "Me and the devil" finde ich ausgezeichnet, deshalb: anhören!

Dienstag, 9. Februar 2010

Unverschämtheit!

Es wäre dieses Jahr das sechste Mal gewesen, dass ich den Nürburgring in der Eifel mit meiner Anwesenheit beehre. Bis gestern nachmittag um 17 Uhr, hätte dem nichts im Wege gestanden, außer die - wie immer, im Gegensatz zu anderen deutschen Festivals - etwas hohe Eintrittsgebühr von 145€, wenn ich mich nicht täusche. Für vier Tage Rock'n'Roll und einem Line-Up, das die letzten Jahre wirklich nicht zu wünschen übrig lies, bin ich bereit auch einen solchen Betrag zu zahlen. Die Organisation ist immer etwas professioneller, als es bei anderen deutschen Festivals der Fall war; zum Beispiel war der Ring eines der letzten Festivals, bei dem man Gasflaschen mit bis zu 20 Litern Inhalt problemlos aktzeptierte. Der Ring ist auch eines der letzten Festivals bei dem (zumindest auf D9) die Möglichkeit besteht relativ nah am Auto zu parken und eine Anhänger mit aufs Campinggelände zu führen. Ob man das braucht oder nicht, ist eine andere Frage. Für Delux-Camper ist es allemal eine feine Sache.
Dieses Jahr feiert nun der Ring sein 25 jähriges Bestehen. Wie zu erwarten, waren die Karten früh ausverkauft, auch wenn die wenigsten damit schon Mitte Februar gerechnet hätten. Was aber nun seit gestern auf der Homepage zu lesen, ist an Unverschämtheit kaum zu überbieten. Die letzten 1.500 Karten werden zu einem Preis von 250€ verkauft.
Man darf sich das auf der Zunge zergehen lassen. Ganz langsam. Bei Ebay sind die Tickets im Moment für einen Spottpreis von 390€ erhältlich. Wer den Ring schon die Jahre zuvor für seine wuchernden Preise verurteilte und mit den von mir genannten Vorteilen eh nicht viel anfangen konnte, darf sich über das Wasser auf seine Mühlen freuen. Nun lässt sich unter die zahllosen Konzerte von alternden Rockgrößen, wie AC/DC, den Rolling Stones oder Metallica, deren Auftritte unbezahlbar geworden und die bigott, spießig und elitär daherkommen, auch der Ring subsumieren. Letztendlich geht dabei die Leidenschaft zur Musik verloren. Denn, ausgelassen feiern lässt sich unter diesen Umständen wohl kaum. Für 250€ bekommt man ein neues Bett, die Gesamtausgabe von Wittgenstein, einen iPod, zwei Karten für die Rolling Stones (lol), oder eine Sammlung von DVDs mit Liveauftritten und dazu eine nicht allzu schlechtes Dolby-System um sich das bei bester Qualität anzuhören, mit Publikumsnähe ist es beim Ring eh nie weit her. All das im Hinterkopf beim Tanzen steigert ganz sicher nicht die Ausgelassenheit.
Gespannt sein darf man freilich auch auf die Spekulationen bei Ebay und die Höchstbeträge, die einige hysterische Menschen - die es zweifelsohne gibt - jetzt dafür blechen, dabei zu sein. Ich verzichte.

Samstag, 30. Januar 2010

Van Diemens Land

Van Diemens Poster

Kalt und rau sind die Bilder, die den ersten Film des Jungregisseurs Jonathan von der Heide kennzeichnen. Die Wälder schimmern blau-metallisch. Das Ambiente erinnert eher an eine düster-verlassene Industrielandschaft. Aber es ist nichts Künstliches, das diesen Film bedrohlich macht. Es ist die ursprünglichste Natur, die sich sehr bald als der Protagonist des Films herausstellt. Van Diemens Land hieß zur Zeit der ersten Kolonialisierung das heutige Tasmanien. Jonathan von der Heide erzählt die wahre Geschichte des Strafgefangen Alexander Pearce, der anno 1822 mit einigen Mitsträflingen flieht und sich durch das Dickicht der Insel seine Freiheit bahnt. Doch sehr bald wird klar, dass die Freiheit kein Geschenk ist; sie fordert ihren Tribut. Die Weite des Landes schürt, so widersprüchlich es klingen mag, die Klaustrophobie der Männer. Die Kälte nagt an den Flüchtigen. Sie dringt beinahe durch den Bildschirm. Auch die Nahrungsvorräte gehen aus und weit und breit zeigt sich der Gruppe keine Aussicht auf Rettung. Zuerst wächst das Misstrauen gegeneinander. Die Iren mit den Iren, Schotten mit den Schotten und die Engländer mit den Engländern; man hält sich an die vertrautere Sprache, versucht sich zu distinguieren. Nicht mehr lange und auch dieser Impuls ursprünglichen Zusammenhalts zerbricht. Die Belastungen strapazieren die soziale Dynamik. Van Diemens Land ist in dieser Hinsicht auch ein Experiment. Dass es ohne Nahrung kein Erreichen des Zieles geben kann, wird schnell klar. Die Moral bleibt somit auf der Strecke und der Kannibalismus scheint die einzige Möglichkeit zu sein, das Leben zu verlängern. Das eigene Leben, denn zunächst ist leicht auszusondern, wer dran glauben muss, wer eine Belastung darstellt. Beim letzten Bissen vom Fleisch sagt einer: "That could have been me". Niemand widerspricht mehr.

Van Diemens Land ist kein blutrünstiger Horrorfilm. Er bedrückt durch seine archaische Stille, seine authentischen Schauspieler und die rohe Natur. Wie bei einigen Werner Herzog - Filmen, ist sie auch hier der einzige Überlebende. Sie ist schlussendlich immer der Stärkste im struggle of life. Die Natur ist der Organismus, von dem alles andere Leben abhängt. Van Diemens Land ist ein Film für Fans von Welz (Vinyan, Calvaire) und Herzog (Aguirre, Fitzcarraldo). Er lebt hauptsächlich von seinen Bildern, die wunderschön und kühl sind und einen Gang ins Kino wert wären. Ob der Film allerings überhaupt den Weg in die deutschen Kinos schafft, ist noch fraglich.


Dienstag, 26. Januar 2010